Fans der Film-Trilogie kommen noch immer in Scharen zum Gut Rothensande, um
ihren Idolen nachzuspüren.
Krönender Abschluss der Immenhof-Führung: Zur Musik aus den Filmen der
1950er-Jahre betreten die Besucher, manchmal sind es bei einer Führung an die
100, das Herrenhaus von Gut Rothensande.
Fans der Film-Trilogie kommen noch immer in Scharen zum Gut Rothensande, um
ihren Idolen nachzuspüren.
Sie kommen aus Osnabrück, Trier, Marburg, Göttingen, Gießen, München. Rund 50
Besucher – Ehepaare im Rentenalter, Familien mit kleinen Kindern, Jungverliebte
– stehen auf dem Hof von Gut Rothensande am Kellersee, gespannt darauf, Harald
Düsterhoff (62) über das Gelände zu folgen. Der Name Gut Rothensande sagt den
Kamera und Camcorder schwenkenden Besuchern wenig, für sie ist und bleibt dies
der Immenhof – das Paradies aus den 1950er-Jahren, Idylle der
Immenhof-Film-Trilogie. Und so hangelt sich die Führung auch entlang der
Ereignisse um die unverwüstliche Oma Jantzen, ihre drei Enkelinnen und den
gemeinsamen Ponyhof.
„Wer weiß, wie der erste, 1955 gedrehte Film hieß?“, klopft Harald Düsterhoff,
selbst Fan durch und durch, das Wissen seiner Besuchergruppe ab. Was für eine
Frage! „Die Mädels vom Immenhof“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Auch
die Folgedaten und -titel könnten wohl im Schlaf abgefragt werden: 1956
„Hochzeit auf Immenhof“, 1957 „Ferien auf Immenhof“. Das ist natürlich ein
Klacks für Filmfreunde, die ganze Dialoge wiedergeben können und sogar wissen,
aus welchem Anlass Oma Jantzen wo den Frühstückstisch deckte und welcher Baum
dabei im Hintergrund zu sehen war („Die Pappel war natürlich damals viel
kleiner“).
Dabei ist es hochinteressant, sich mit der Geschichte des realen Gutes zu
befassen. „1361 wurde es erstmals erwähnt“, informiert der kundige und stets zum
Scherzen aufgelegte Harald Düsterhoff die Zuhörer. Seine heutige Form habe
Rothensande 1911 erhalten, als der Kieler Ziegeleibesitzer Franz Blessmann sich
zur Ruhe setzte, die Gutsanlage erwarb und Herrenhaus sowie Torhaus errichten
ließ. Nach acht Besitzerwechseln ging das Gut 1956 an Arthur Nörenberg, der in
der Kaffeebranche tätig war. „Es war die Wirtschaftswunderzeit, man trank nach
Muckefuck wieder Bohnenkaffee. Nörenberg-Kaffee wurde zu Spitzenzeiten in 116
Verkaufsstellen angeboten“, so Düsterhoff. Die Marke sei später in Eduscho und
Tchibo aufgegangen.
Mit dem Verkauf seiner Rösterei habe Artur Nörenberg ein Vermögen gemacht. Er
züchtete dann auf Rothensande Pferde für den Reitsport und war, so erzählt
Düsterhoff, in den 1960er- und 70er-Jahren eine echte Größe. Aus der Zucht
Rothensande gingen viele prämierte Pferde hervor, darunter der legendäre Hengst
„Heros“ und das Olympiapferd „Ultimo“ (unter Reiterin Gabriela Grillo in
Montreal 1976 Gewinnerin von Mannschaftsgold in der Dressur). „Für den Gutshof
war die Zeit von 1957 bis 2002, bevor Artur Nörenberg starb, eine segensreiche
Zeit. Hier war alles tippi-toppi. Wenn er das jetzt sehen würde, täte es ihm in
der Seele weh“, so Düsterhoff.
Die Erbengemeinschaft konnte sich lange nicht einigen, was mit dem Hof geschehen
sollte. Eine Zwangsversteigerung wurde im letzten Moment abgeblasen, der aus
Niedersachsen stammende Franz-Josef Stolle kaufte den Hof 2009 „über Nacht und
unbesehen“. Seine großen Pläne für Rothensande, das er als Immenhof – Pony-Hotel
auf Vier-Sterne-Niveau mit Café, Bootsanlegesteg, Ferienwohnungen und
Seminarräumen – wiederbeleben wollte, kassierte er bald wieder ein. Die
veranschlagten Kosten von zehn Millionen Euro hätten bei Weitem nicht gereicht,
seine Berater gingen bald vom Doppelten aus.
„Dafür haben Sie jetzt die Chance, den Hof zu erwerben“, ermuntert Harald
Düsterhoff die Immenhof-Fans beim Rundgang launig. Das Land – rund 180 Hektar –
wolle Franz-Josef Stolle behalten, für das Gut verlange er rund zwei Millionen
Euro. Während Artur Nörenberg mit der Dick-und-Dalli-Gemeinde nichts im Sinn
hatte und versuchte, Schaulustige vom Hof fernzuhalten – selbst mit einem
scharfen Hofhund an langer Kette –, veranstaltete Stolle 2010 ein gigantisches
Sommerfest, bei dem an vier Tagen zwischen 30 000 und 40 000 Besucher an den
Kellersee kamen. Er hat die Ställe an den Ostholsteinischen Reiterverein
vermietet und gestattet zweimal pro Woche die Führungen über sein Anwesen. Im
Herrenhaus betrachten Fans fasziniert den Luxus vergangener Tage, als Gutsherr
Nörenberg mit Familie dort lebte. An den Wänden hängen noch die Porträts der
Kinder, vom früheren Prominentenmaler Linus. Damenzimmer, Herrenzimmer, die
Badezimmer in Marmor mit vergoldeten Armaturen, Einbauschränke aus
Vogelaugenahorn.
Der Glanz ist längst dahin: Die Farbe platzt von den Fensterrahmen, Tapeten sind
vergilbt und beginnen sich zu wellen, das Haus riecht nach Einsamkeit. Die
Besucher erahnen Familiendramen und kehren lieber zu der heilen Welt von Dick
und Dalli zurück. Mit DVD-Boxen und Film-Fotos, gern auch einem Glas Marmelade
in der Immenhof-Tüte, haben sie zu Hause viel zu erzählen.
Quelle: OH-Magazin